Schulradioteam stellt die Biografien von zwei Zwangsarbeitern vor

Stolperstein-Verlegung in Haidholzen am 11.02.2024

Seit 2017 beschäftigt sich das Schulradioteam immer wieder mit Stolperstein-Biografien. Wir versuchen mit unseren Hörspielen, die Lebensgeschichten der Menschen, die in der NS-Zeit zu Opfern und Nummern wurden, wieder etwas lebendig werden zu lassen und hoffen, dass wir damit den Hörern die einzelnen Menschen näher bringen und ihre Geschichte begreifbarer machen.

Schon lange wollten wir uns mit dem ehemaligen Außenlager in Stephanskirchen auseinandersetzen und uns auf die Suche nach den Menschen machen, die hier leben mussten, gelitten haben und ermordet wurden.

Mit Mauerreste eines Außenlagers im Garten, so fing es vor zwei Jahren an, als ein Schüler des Radioteams davon erzählte, dass er mit seiner Familie direkt am Gelände des ehemaligen Außenlagers wohnt. Das Schulradioteam informierte sich in Fachbüchern und durfte Herrn Mair, unseren Bürgermeister, als Experten befragen. Aus diesem Interview wissen wir nun viel über die wechselvolle Geschichte der ursprünglichen Flakkaserne, die ein Rüstungsbetrieb mit den Zwangsarbeitern aus dem KZ Dachau wurde. Durchschnittlich 230 männliche Häftlinge vor allem aus Russland, Polen, Frankreich und Deutschland waren in den in Baracken untergebracht. Die meisten wurden zu Gleisbauarbeiten und zur Trümmerbeseitigung nach Bombenangriffen eingesetzt. Gleich nach dem Krieg wurde das Gelände ein Internierungslager und kurz danach Unterkunft für Heimatvertriebene. Erst 1953 wurde die Siedlung Haidholzen gegründet.


Von den vielen Häftlingen des Außenlagers haben sich nur weniger Namen erhalten. Wir begannen die beiden Biografien von Martin Sabozki und Kuzma Martschenko zu recherchieren. Von beiden wussten wir nur über eine Kopie des Sterberegisters, dass sie im Februar und März 1945 im Außenlager gestorben waren und im Baierbacher Friedhof beerdigt wurden. Das Radioteam stellte für beide eine Suchanfrage in den Arolsen Archiven und in der Gedenkstätte Dachau. Tatsächlich gab es zahlreiche Listen und Formulare von unterschiedlichen  Konzentrationslagern, Außenlagern und Transporten, wo die beiden Namen immer wieder auftauchten. So rekonstruierten wir ihren Weg bis nach Stephanskirchen und fanden auch einige wenige Informationen zu Martin und Kuzma selbst. Diese Puzzleteile haben wir versucht als Hörspiel zusammenzusetzen. Besonders geholfen haben uns dabei zwei Mitschülerinnen: Bohdana kommt aus der Ukraine und hat uns beigebracht, wie wir Kusmas Namen aussprechen können. Gemeinsam sind wir in Ukrainisch auf Google Maps unterwegs gewesen und haben das kleine Dorf Stary Worobi mit der weiß-blauer Holzkirche gefunden. Inzwischen sind wir dabei, über Facebook vielleicht Menschen zu erreichen, die dort gelebt haben. Emilia hat polnische Wurzeln und konnten uns erklären, dass der Name Martin auf Polnisch Marcin ausgesprochen wird. Auch für ihn versuchen wir nun auf Polnisch beim vermutlichen Heimatort mehr über seine Familie zu erfahren.

So ist die Verlegung der beiden Stolpersteine nicht der Abschluss, sondern ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir weiter auf der Suche sind. Stellvertretend für viele andere Zwangsarbeiter, die hier in Haidholzen gelitten haben und umgebracht wurden, wissen wir jetzt von Marcin Sabozki und Kuzma Martschenko, von ihrem Leidensweg in verschiedenen Lagern, von ihrem Tod hier im Außenlager und dem Verbrechen, das ihre Leben mit 25 bzw. 26  Jahren brutal beendet hat.

M. Hoff

Namen statt Nummern

Im Rahmen des Stolpersteinprojekts war unser Schulradioteam am Freitagabend zur Vorstellung der diesjährigen Gedächtnisblätter in die KZ Gedenkstätte nach Dachau eingeladen. Diese Veranstaltung findet seit zwanzig Jahren immer am 22. März, dem 86.Jahrestag der Errichtung des Konzentrationslagers Dachau, statt. Zehn Häftlingsbiografien wurden in diesem Jahr stellvertretend für die unzähligen Opfer vorgestellt. Historiker, Lehrer, Studenten, junge Menschen aus Freiwilligen Diensten, aber auch Angehörige und ehemalige Nachbarn haben in mühevolle Recherchearbeit Puzzlestücke aus Dokumenten, Briefen, Gesprächen und Bilden zusammengetragen und so aus den anonymen Nummern wieder Menschen mit Namen, Gesichtern und Geschichten gemacht. So auch Herr Dr. Nowotny, der die Biografie Johann Vogls im Rahmen der Stolperstein Initiative  zusammengesammelt und aufgeschrieben hat. Johann Vogl wurde 1936 aufgrund seiner politischen Unbeugsamkeit von den Nazis nach Dachau verschleppt und starb dort ein Jahr später. Im Sommer 2018 war das Radioteam dabei, als am Kiosk in Schloßberg für Johann Vogl ein Stolperstein verlegt wurde. Nun erinnert an ihn auch ein Gedächtnisblatt in der Gedenkstätte in Dachau. Unser Radioteam durfte an der Verlesung teilnehmen und Herr Nowotnys Vortrag mit Ausschnitten aus den Briefen Johann Vogls unterstützen. Die vielen unterschiedlichen Biografien und Schicksale zu hören, waren für alle ein sehr bewegendes Erlebnis.

M. Hoff

Unterrichtsgang der neunten Klassen zur KZ-Gedenkstätte Dachau am 30.11.2017

Die vier 9. Klassen besuchten im Rahmen des GSE-Unterrichts am Donnerstag 30.11 die KZ-Gedenkstätte Dachau. Jede Klasse erhielt dort eine eigene Führung und konnte so das Gelände und die Gebäude intensiv erkunden und vor allem auf sich wirken lassen. Neben den vielen Informationen waren es vor allem die persönlichen Eindrücke vor Ort, die die Schüler bewegten und betroffen machten. Alleine die kurze Erfahrung im eiskalten Wind auf dem Appellplatz zu stehen und ruhig zu zuhören, machte die qualvollen Lebensbedingungen des Arbeitslagers ein wenig spürbar. Oder im Museum konnten wir beispielsweise auf der großen Karte mit den KZ-Außenlagern das Lager in Stephanskirchen entdecken und feststellen, wie nah uns doch plötzlich das Thema kommt. Auch die Aussicht, dass im kommenden Jahr für einen Stephanskirchener Bürger ein sogenannter Stolperstein verlegt werden soll, hat großes Interesse geweckt. Zwar konnten wir in der Kürze der Zeit den damaligen „Schutzhäftling“ Johann Vogl in der Ausstellung nicht entdecken, aber bei der Suche nach ihm sind umso mehr andere Gesichter und Geschichten der Ausstellung im Gedächtnis geblieben. Wieder zurück im Klassenzimmer ergänzte noch ein Dokumentarfilm die Thematik und die Schüler tauschten sich über die z.T. unterschiedlichen Details der jeweiligen Führung aus.

Insgesamt ein sehr wertvoller, aber auch emotional anstrengender Tag!

Michaela Hoff