Schulradio und Zeitgeschichte – Erasmus+-Austausch in den Niederlanden vom 05.02. bis 11.02.2023

Erasmus+ Projekt „Listen to my story – European History on school radio“

Am frühen Sonntagmorgen machte sich eine Gruppe von fünf Schülerinnen und Schülern aus den Jahrgangstufen 7, 8 und 10 und die beiden Klassenlehrerinnen Frau Hoff und Frau Vormittag auf den Weg in den Norden. Das Reiseziel der zweite Mobilität unseres Erasmus-Projektes war diesmal unsere niederländische Partnerschule in der Kleinstadt Spjikenisse nahe Rotterdam. So konnten wir bei diesem Austausch mit dem Zug anreisen und schon auf dem Hinweg die Veränderung der Landschaft genießen. Die Fahrt war lang – von Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang – aber fast störungsfrei und ohne Langeweile, u.a. auch weil unterwegs fleißig Matheaufgaben erledigt wurden. Am Bahnhof in Spjikenisse wurden wir von den Gastfamilien abgeholt und da fast alle Teilnehmer ihre Partner schon kannten, war die Wiedersehensfreude groß.

Vor der Partnerschule


Am Montagmorgen begrüßten uns der Schulleiter und die Koordinatorin in der Schulaula, einem großen Raum, der ansonsten für Theater- und Musikaufführungen, aber auch für das stille Arbeiten in Freistunden genutzt wird. Gemeinsam mit unseren Partnergruppen aus Portugal, Griechenland und natürlich den Niederlanden starteten wir mit Kennenlernspielen und einer sehr interessanten Führung durch das ganze Schulhaus. Wir erfuhren viel über das niederländischen Schulsystem und die Schulorganisation und die Besonderheiten der Partnerschule. Nach einer kleinen Pause ging es mit dem ersten Workshop zum Thema „Die Rolle des Radios in politischer Propaganda und im Widerstand“ weiter. Ein Geschichtslehrer führte uns dabei sehr informativ in die Geschichte der Niederlande während des zweiten Weltkrieges ein. Im Anschluss an eine kleine Mittagspause wurde der Ort Spjikenisse in Kleingruppen erkundet. Das Highlight war der Abstecher in die architektonisch beeindruckende öffentliche Bibliothek „Bücherberg“. Der weitere Nachmittag war frei und für Aktivitäten in den Gastfamilien reserviert, manche spielten zuhause, andere unternahmen einen kleinen Ausflug ans Meer.

Am zweiten Tag lernten wir die Geschichte von George Maduro, einen jungen Helden des niederländischen Militärs und des Widerstandes gegen die Nazis während der deutschen Besatzung, kennen. In Den Haag besuchten wir dazu ein Museum, das an ihn erinnert, aber auch die Niederlande in Form einer Miniaturen-Landschaft mit viel Liebe zum Detail zeigt. Die Schüler konnten nicht nur berühmte Gebäude und ganze Stadtansichten bewundern, sondern auch in die niederländische Geschichte (z.B. die Gründung von New York durch niederländische Pilger) oder verschiedene Themen, wie Küstenschutz oder Containerverladung, eintauchen. Das Highlight der Ausstellung war der Flugsimulator in einer alten KLM-Maschine. Zu Fuß ging es danach weiter ins Stadtzentrum von Den Haag, mit einem kurzen Stopp am Friedenpalast (Sitz des Internationalen Gerichtshof), durch malerische kleine Straßenzüge, vorbei am königlichen Palast und bis zum Binnenhof (Regierungssitz). Von dort aus durften alle eine Erkundungstour in Kleingruppen unternehmen. Die Lehrer erlebten während dieser freien Zeit eine besondere Überraschung. Am Eingang zum Parlament begegnete uns der niederländische Premierminister Mark Rutte, der gerade einem jungen Radioreporter des WDR ein spontanes Interview gab und sich dann ebenso spontan mit uns über Erasmus austauschte, natürlich nicht ohne das obligatorische Gruppenbild.

Gruppenbild mit Premierminister

Der dritte Tag begann mit zwei Unterrichtsstunden, um die Schule „De Ring van Putten“ und den Unterricht dort etwas kennenzulernen. Danach ging es nach Rotterdam ins Museum „Rotterdam 1940-1945-Jetzt“, wo wir viel über die Bombardierung Rotterdams und die Besetzung durch die Nazis erfuhren. Sehr eindrücklich wurde anhand von zahlreichen Gegenständen aus der Zeit und interaktiven Installationen sowohl die politischen Verhältnisse als auch das Alltagsleben dargestellt. Zudem gab es eine Abteilung zum Thema Demokratie und Menschenrechte. Die Schüler waren im Tandem mit ihren niederländischen Partnern als Dolmetscher unterwegs, da alles auf Niederländisch beschriftet war. So wurde aus der Not eine Tugend, da alle gut zusammenarbeiten „mussten“, um die Aufgaben zu erledigen. Am Nachmittag war dann Zeit, um in Kleingruppen Sehenswürdigkeiten Rotterdams, wie z.B. die Kubus-Häuser, die moderne Markthalle und die Erasmusbrücke, zu erkunden. Vor der St. Laurenz-Kirche konnten wir den Namensgeber des Projektes, „Erasmus von Rotterdam“ bewundern. Natürlich blieb auch Zeit, um das eine oder andere Souvenir zu kaufen.

Am vierten Tag wurden in einem Workshop erste Ideen für den geplanten Podcast gesammelt. Die Schüler sollten ihre persönlichen Erfahrungen in der Projektwoche und wichtige Ereignisse oder Personen in den Niederlanden aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, die sie kennengelernt hatten und die für sie von Bedeutung sind, notieren und daraus ein Gespräch zusammenstellen. Im Anschluss fuhren wir mit dem Bus, vorbei an Ölraffinerien und Hafenanlagen, nach Amsterdam. Dort ging es zu Fuß durch kleine Gassen und entlang malerischen Grachten zu einem typischen kulinarischen Mittagsstopp bei Heertje Friet. Nach der Stärkung mit leckeren Pommes und Kroketten (gefülltes und frittiertes Kartoffelpüree) war leider nur kurz Zeit, um in der Gruppe das Stadtviertel Jordaan zu besichtigen, da wir rechtzeitig für die Führung am Anne-Frank-Haus sein mussten. Trotzdem nutze das OPS-Team die Gelegenheit, um im Tulpenmuseum Zwiebeln und im Käseladen Gouda zu erstehen. Der Tulpenladen war geruchlich eindeutig die bessere Wahl, Schüler-Zitat zum Käseladen: „Riecht wie in der Jungsumkleide!“…
Etwas verfroren nach einer längeren Wartezeit vor dem Museum starteten wir im Anna-Frank-Haus mit einem interessanten Workshop, der uns ins Leben der Familie Frank einführte. Mit Audioguide ausgerüstet konnte danach jeder in seinem Tempo die Ausstellung und die originalen Räume des weltberühmten Hinterhauses besichtigen. Es war für alle sehr beeindruckend und gleichzeitig schwer vorstellbar, dass sich in diesen beengten Räumen acht Menschen für zwei Jahre vor den Nazis verstecken konnten, um letztendlich doch verraten und ins KZ deportiert zu werden. Begleitet wurde man von Zitaten aus Anne Franks Tagebuch und von Erklärungen zu der damaligen Situation der Juden in den Niederlanden. Auf der Rückfahrt nach Spjikenisse konnte jeder seinen Gedanken nachhängen und sich über seine Eindrücke austauschen.

Am Freitag, unserem letzten Tag des Projektes, arbeiteten die Schüler weiter an ihren Podcasts und im Laufe des Vormittags wurde jede Gruppe (ein Host und vier Gesprächspartner) aufgenommen. Nach der Bearbeitung werden die Podcasts auf Spotify hochgeladen und sind dann für alle Teilnehmer und Interessierten zugänglich. Zudem setzen sich alle Teilnehmer in der Zwischenzeit mit Persönlichkeiten ihres Herkunftslandes, die im Zweiten Weltkrieg eine positive Rolle gespielt haben, auseinander und gestalteten dazu individuelle Plakate. Unser Team befasste sich mit den Geschwistern Scholl (Weiße Rose) und dem Stauffenberg-Attentat.
Nachdem alle Podcasts aufgenommen waren, folgte die feierliche Überreichung der Teilnehmer-Zertifikate. Der Schulleiter der „De Ring van Putten“ Schule betonte in seiner Abschlussrede die große Bedeutung aller Erasmus-Projekte. Neben der Bearbeitung des Projektthemas sind vor allem die persönlichen Begegnungen und der Austausch zwischen den verschiedenen Ländern, Schulen und Menschen ein wesentliches Ziel. In der vergangenen Woche wurden Partnerschaften vertieft, Gemeinsamkeiten und Unterschiede reflektiert, neue Projektideen gesammelt und Zukunftspläne geschmiedet. Nicht zuletzt sind kostbare Freundschaften entstanden!

Übergabe der Zertifikate

Im Anschluss hatten alle Teilnehmer die Gelegenheit die Schule weiter zu erkunden. Alle Schüler dieser Schule müssen für ihren individuellen Stundenplan drei Wahlkurse belegen. Diese finden oft am Nachmittag statt, so dass das Schulhaus bis zum Abend offen und rege besucht ist. Manche Türen standen auch für unsere Schüler offen. So entdeckten sie beispielsweise den Musikraum, in dem zahlreiche Instrumente zum Ausprobieren einluden. Unsere Schüler haben mit großer Begeisterung an allen Angeboten teilgenommen und selbstständig den Kontakt zu den niederländischen Lehrkräften und Schülern gesucht. Auch die Erasmus-Kollegen nutzen die Möglichkeit zum Hineinschnuppern und zum fachlichen Austausch. Auf der anschließenden Fahrt nach Rotterdam kam es in der Metro zu intensiven Gesprächen im OPS-Team, wie man diese Impulse mit nach Stephanskirchen bringen könnte. Es ist spannend, wenn Schüler*innen und Lehrer*innen sich gemeinsam über Gestaltung von Schule Gedanken machen.
Die Grachten-Rundfahrt mit dem berühmten Pannenkoeken-Boot stellte den krönenden Abschluss der niederländischen Mobilität dar. Draußen war die beeindruckende nächtliche Skyline Rotterdams zu bestaunen und drinnen unbegrenzt Pfannenkuchen in allen Geschmacksrichtungen zu essen – ein großer Genuss und Spaß für alle Beteiligten!
Nach einem allerletzten Gruppenfoto ging es heim in die Gastfamilien und es hieß Abschiednehmen.
Bepackt mit Stroopwaffeln, Käse und vielen Abschiedsgeschenken machten wir uns auf den langen Heimweg per Bahn. Viel Zeit um auf eine ereignisreiche und intensive Erasmus-Woche zurückzublicken. See you in March in Portugal!

M. Hoff